Der Túnel de la Engaña ist eines dieser Monumente menschlichen Strebens, dass einem gleichermaßen zurückschrecken lässt und auch Respekt abverlangt. Er ist Teil eines ambitionierten Infrastrukturprojekts, dass aber nie vollendet wurde. Ziel war eine zweigleisige Eisenbahnverbindung zwischen dem Hafen von Santander an der spanischen Nordküste und dem wirtschaftichen Zentrum Burgos in der Provinz Kastilien und Leon südlich des trennenden kantabrischen Gebirges.

Der Tunnel sollte Teil werden eines größeren Netzwerkes, betrieben von einer privaten Eisenbahngesellschaft. Die erforderlichen Arbeiten wurden aber großteils von politischen Gefangenen des damaligen Franco-Regimes vollbracht. Heute sind von dem Projekt die beiden Bahnhöfe am südlichen und nördlichen Tunnelportal geblieben, dazu zuführende Bauten und eine Reihe von Tunneln, die aber nie mit Gleisen bestückt wurden. Genutzt wurden sie wohl einzig als Schmuggelroute für LKWs, die so das Gebirge auch im Winter passieren konnten.

Das nördliche Tunnelende befindet sich in den Bergen oberhalb des kantabrischen Dorfs Vega de Pas. Der gleichnahmige Bahnhof ist als Ruine erhalten, er befindet sich an einer langen zuführenden Passage die in Bogenbauweise an der Bergflanke angelehnt wurde.

Die Anlage bietet genug Platz für Rangiergleise. Es ist aber unklar, wie der Streckenverlauf weiter geplant war. Denkbar wäre, dass der Bahnhof als Umkehrstation für den Bahnverkehr gedacht war, dass die weitere Trasse über ein Brückenbauwerk seitlich in das Haupttal überführt werden sollte. Eine gewagte und aufwändige Konstruktion.

Alternativ wäre ein durchgängier Verfauf denkbar, er würde eine sehr scharfe Kurve auf Brücken als Überleitung direkt in das Haupttal bedingen. Allerdings in wesentlich geringerer Höhe und entsprechend einfacherer Ausführung, analog zu den bestehenden Bauwerken für die bereits realisierten Streckenabschnitte. Von dort wäre dann ein gleichmäßiger Abstieg hinunter nach Vega de Pas möglich. In Richtung Santander wären wohl weitere Tunnel durch den nördlichen Bergriegel erforderlich, eine einfachere alternative Streckenführung entlang des Gebirgsbachs Pas erscheint wenig plausibel aufgrund der gewählten Mündung des Tunnels de la Engaña selber.

Vor dem eigentlichen Bahnhof finden sich an der heutigen Zugangsstraße mehrere Gebäude, die früher wohl als Unterkunft für Ingeniereure und Verwaltung dienten. All diese Gebäude sind heute verfallen. Hinter dem Bahnhof verläuft die Trasse ebenerdig in einer langen Linkskurve entlang der Bergflanke. Vier kurze Tunnel sind erhalten. Problemlos passierbar zu Fuß, man brauch keine Lichtquelle, sofern man halbwegs trittsicher ist. Streckenabschnitte zwischen den Tunneln sind teilweise mit Bogenbauwerken gestützt.

Am Eingang zum vierten Tunnel findet sich eine größere Ruine. Sie diente wohl als Unterbringung für die Gefangenen. Sicher gibt es Gefängnisse mit weniger schöner Aussicht, dennoch lässt einem der Gedanke an die zu verrichtende Arbeit schaudern: die Arbeiten am gesamten Projekt dauerten 18 Jahre, am Tunnel alleine wohl um die 8 Jahre, da der Vortrieb nur durch menschliche, manuelle Arbeit geleistet wurde. Also mit Spitzhacke und Schaufel alleine unten durch einen ganzen Gebirgsstock hindurch.

Die Linkskurve der Trasse wendet sich hinter diesem vierten Tunnel weiter Richtung Süden, direkt auf das nördliche Portal des eigentlichen Tunnel de la Engaña zu. Dieser ist seit einigen Jahren nicht mehr duchgängig begehbar, seine Länge von fast 7.000 Metern macht dies aber auch wenig verlockend. Ein Blick auf die im dichten Nebel darüber schwindenden Bergflangen verdeutlicht aber den wirtschaftlichen Sinn des Vorhabens …

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